Nun haben wir auch endlich den neunten Studioabend hinter uns gebracht, der der erste im neuen Studio war. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Abend. Ich schneide das hier an, weil ich an diesem Abend die gute Gelegenheit genutzt habe, um mir mal endlich Linda zu schnappen. Wir haben schon länger darüber nachgedacht, mal zusammen loszuziehen, aber eher locker und wahrscheinlich deshalb kam es leider nie dazu. In einem unbeobachteten Moment habe ich sie mir dann geschappt und wir sind heimlich um die Ecke. Möglich ist das natürlich nur, weil wir auf den Studioabenden einige sehr zuverlässige Stammgäste haben und die beste Ehefrau und Assistentin Karo natürlich alles im Griff hat.
Linda ist über die Zeit fast zu einer Freundin geworden, die Wellenlänge stimmt einfach. Sie stand bei diversen Kollegen schon vor der Kamera, aber ich bin aufgrund meiner Ausrichtung auf Beautyportraits nicht wirklich auf sie als Model aufmerksam geworden. Bis neulich, als der Kollege Jörg Schäfer ein Bild postete, das mich irgendwie gefangen hat. Bis heute weiß ich nicht so richtig, was da los war. Ich glaube, dass Linda mit ihrem Typ und ihrer Ausstrahlung einfach gut in Jörgs Fotos passt. Jörg schafft es wirklich, seinen bisherigen Streetstil auf Portraits zu übertragen. Ich denke, das ist das, was ich so mag. Hoffentlich meint er nicht, er müsste sich jetzt zum Peoplefotografen entwicklen… Bleib bloß so, wie du bist!
Interessant bei dieser Serie ist, dass jedes ausgewählte Bild der jeweils erste Schuss ist. Der Ablauf ist ja normalerweise so, dass man sich ein Bild ausdenkt, den passenden Hintergrund sucht, das Modell entsprechend platziert und dann Posinganweisungen gibt. Dann schießt man so 3-30 Fotos und meistens ist relativ weit hinten der beste Kandidat dabei. Nicht so hier, bei einem Typ wie Linda ist die Natürlichkeit wichtig. Ein sehr lockeres Vorgehen hat hier gut funktioniert: Position zuweisen und sofort zurückziehen, kaum Anweisungen, nicht ablenken.
Da ich mich hier sehr weit von meiner Komfortzone entferne, denke ich natürlich auch sehr viel über diese Bilder und ihre Auswirkungen auf meine Entwicklung und meinen Stil nach. Da gibt es aktuell diese kleine Diskussion, dass die Portraits, die so in social media rumfliegen, eigentlich gar keine Portraits sind, sondern eher Beautyaufnahmen. Durchgestylt, geplant, ausgeleuchtet, bearbeitet. Andreas Jorns hat die Diskussion angestoßen und Oscar Wilde zitiert:
Die einzig glaubwürdigen Porträts sind diejenigen,
die wenig vom Model in sich tragen und viel vom Künstler.
Nun, dass die meisten im Umlauf befindlichen Bilder Beautyzeugs sind und keine wirklichen Portraits, dem kann ich gut zustimmen. Nur weiß ich nicht, wo man welche Grenzen der Definitionen wie eng ziehen sollte. Allerdings verstehe ich die Ursprüngliche Bedeutung eines Portraits eher so, dass die abgebildete Person vorgestellt, beschrieben, dargestellt werden soll. Also wäre ich doch eher der Meinung, dass in einem Portrait möglichst viel vom Wesen der portraitierten Person zu erkennen sein sollte und nicht der Stil des Fotografen.
Das alles beziehe ich auf diese Serie und eine völlig neue Denkweise. Ich muss zugeben, dass mich dieser Stil und diese Herangehensweise doch reizt. Eine Sache ist jedoch klar: die Modelsuche wird so nicht einfacher. Die Chemie muss sehr viel mehr stimmen als bei einfachen Beautyaufnahmen. Ich kann mich fast nicht auf ein Portfolio verlassen, denn jedes Bild im Portfolio kann bis sonstwohin weichgespült sein. Nichtmal auf den Ausdruck oder sonstwas kann ich mich verlassen, denn ich selbst greife häufig zu Tricks wie Haare auffüllen und Contouring durch D&B. Neulich musste sogar ein neuer Mund her, weil das das einzige Detail im Bild war, das mich wirklich gestört hat. Sowas kann die Wirkung grundlegend beeinflußen. Die Mundwinkel nur ein Millimeter nach unten erzeugen eine ganz andere Wirkung als den gleichen Millimeter nach oben. Solche Details finde ich enorm wichtig.
Die Modelsuche muss sich für diesen Stil also so gestalten, dass ich die Person erstmal wirklich kennenlerne. Nun gut, zumindest ein Gespräch in Ruhe muss drin sein. Das mache ich bei Business Portraits generell, denn diese empfinde ich als eine Mischung aus Beauty und Portrait – wenn wir jetzt mal diese neue Unterscheidung bemühen wollen. Deshalb brauche ich da auch so lange und mache im Studio bei Business nix unter zwei Stunden. Bei meinen üblichen Beautyaufnahmen ist diese erste Kennenlernphase allerdings häufig sehr kurz ausgefallen, denn sie war schlicht kaum nötig.
Was denkt ihr so darüber? Sollte man da wirklich unterscheiden? Gibt es überhaupt einen Unterschied?
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